Buch: Sportrecht – Jörg Rüsing & Christof Wieschemann

DBJV Tagungsband Rüsing Wieschemann Hrsg.Der Tagungsband der 25. Jahrestagung der DBJV, Deutsch Brasilianische Juristenvereinigung, vom 23.-26. November 2006 auf Schalke ist erschienen. Das Band ist mit Rechtsanwalt Jörg Rüsing, Münster, herausgegeben von Rechtsanwalt Wieschemann, der auch den Beitrag „Sportrecht – eine Gesamtbetrachtung“ verfasst hat.

In seinem Beitrag würdigt Rechtsanwalt Wieschemann sowohl die hochqualifizierten Vorträge der Referenten, wie auch die lebhafte Diskussion der Teilnehmer, deren Gehalt den Beiträgen nicht nachstand, und ergänzt die Darstellung mit Hinweisen auf die aktuelle wissenschaftlichen Diskussion. Daraus ergibt sich eine beachtenswerte Gesamtdarstellung des Sportrechts in Deutschland und Brasilien.

 

Die Autoren:

Ra Christof Wieschemann (Wieschemann Rechtsanwälte, Bochum) Sportrecht Eine Gesamtbetrachtung ; Carl D. Goerdeler ( freier Autor, Rio) Brasilien und der Ball; Ra Dr. Joachim Rain (GRUB FRANK BAHMANN SCHICKHARDT, Ludwigsburg) Internationaler Spielertransfer nach den Regularien der FIFA; Ra Jörg Rüsing (Schmidt Chowanietz Rüsing, Münster) Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei der Beschäftigung von Berufsfußballern; Ra Dr. Thomas Summerer (CMS Hasche Siegle, München) Sportwetten als Mediengeschäftsmodell der Zukunft; Ra Dr. Dirk Wieddekind (Taylor Wessing, Hamburg) Rechtsschutz und Vermarktung von Sportveranstaltungen; Ra Dr. Martin Schimke (Bird & Bird, Köln) Rechtliche Probleme des „Dopings“; Yves Eigenrauch (ehemaliger Profi des FC Schalke 04, Gelsenkirchen) Gebt Rassismus die rote Karte

Erhältlich ist das Buch in der Schriftenreihe des DBJV

Der Beitrag von Ra Wieschemann:

Sportrecht – Eine Gesamtbetrachtung

 

Prolog

 

Die 25. Jahrestagung der Deutsch-Brasilianischen-Juristenvereinigung e.V. vom 23.11.-26.11.2006 in Gelsenkirchen stand unter dem nüchternen Titel „Sportrecht in Deutschland und Brasilien“ und liess eine nüchterne Rechtsvergleichung erwarten. Dass sich daraus aber eine der anregendsten Tagungen mit intensiven Diskussionen entwickelte, lag zweifellos an der Bedeutung des Sports –oder besser noch des Fußballs- als Teil des öffentlichen Lebens und dem meistdiskutierten Anwendungsfall des Sportrechts auf der Tagung.

Die wechselseitige Durchdringung von Sport und Öffentlichkeit und die daraus resultierenden Schwierigkeiten haben sich dabei nahezu von selbst als das die Diskussion über alle Beiträge durchziehende Leitthema erwiesen.

Die Existenz dieser Schwierigkeiten ist fast zwingende Folge zweier Ursachen:

 

Erstens der sogenannten Verbandsautonomie innerhalb derer den Sportverbänden das Recht zusteht, das zur Durchführung des Sports und seiner Wettkämpfe Notwendige selbst ohne Beeinflussung durch den Staat zu regeln. Dadurch hat sich eine große Fülle extralegaler Kodifikationen für einen bedeutenden Teil unseres Lebens ergeben, eine juristische Parallelgesellschaft. Juristen, die sich nicht regelmäßig mit dem Sportrecht befassen, begegnen der Verbandsautonomie häufig und nicht ohne Recht mit Skepsis. Allerdings darf nicht missachtet werden, dass sie notwendiger und logischer Ausfluss eines hohen Gutes ist, dem Recht des Menschen auf freie Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG), aus dem heraus er grundsätzlich selbst die Regeln setzten kann, nach denen er sich (hier: sportlich-spielerisch) betätigen will[1]. Aber: Wie weit darf sich ein Verband im Rahmen der Autonomie von allgemeingültigen Rechtssätzen und Schützgütern innerhalb eines Rechtsstaates entfernen? Darf die kollektive Selbstbestimmung das Recht des einzelnen auf Teilhabe und auf Schutz seiner gleichermaßen grundrechtlich garantierten Individualrechte beschränken?

Das sind Fragen, die sich in der Diskussion über das Selbstverständnis eines sozialen Rechtsstaates naturgemäß stellen und uns in der Tagung an der Schnittstelle zwischen Sport und Staat begegneten.

 

Die Verbandsautonomie wirkt -dies führt uns zur zweiten Ursache- indes nur nach innen gegenüber den Teilnehmern eines sportlichen Wettbewerbs oder den dem Verband angehörenden Vereinen und Unterverbänden. Die Verwertung der Ereignisse aber, der Akt also, in dem sich der Sport wieder der Öffentlichkeit mitteilt und diese durchdringt, unterliegt staatlichen Gesetzen, aber keinen Spezialgesetzen.

Das deutsche Zivilrecht hat sich zwar in 110 Jahren seit der Vorlage der ersten Fassung des BGB 1896 als ausreichend flexibel erwiesen, gesellschaftliche Umbrüche genauso zu erfassen, wie eine Fülle von neuen wirtschaftlichen Kooperations-, Vertriebs- und Finanzierungsformen, die keiner spezialgesetzlichen Regelung bedurften. Das allgemeine Gesetz scheint aber mit der Bewältigung des Massenphänomens Sport am Ende seiner Regelungskraft angekommen zu sein.

Die Tagung zeigte, dass sich die unterschiedlichen Ursachen, nämlich einerseits die Kollision staatlicher Gesetze mit dem Normenwerk der Verbände und andererseits die fehlende spezialgesetzliche Grundlage in unterschiedlicher Weise auf die Realität auswirken.

 

Welche Auswirkungen das Massenphänomen Fußball in und für die brasilianische Gesellschaft hat, mit diesem Thema begann die Tagung und damit beginnt auch dieser Band.

 

Es folgt hier die Widergabe der Tagungsbeiträge.

An deren Ende kommt:

 

Epilog

 

Carl D. Goerdeler: Brasilien und der Ball

Welche Bedeutung der Sport, insbesondere der Fußballsport, für das öffentliche Leben hat, ist Gegenstand des Vortrags von Goerdeler, einer wunderbaren Ausschweifung über ein Land und seine Phänomene.

Es gehört zu den Binsenweisheiten der Stammtische, wie auch inhaltsleerer Gesprächsrunden im Fernsehen, dass Fußball nicht weniger, aber auch nicht mehr sei, als Ausdruck brasilianischer Lebensfreude. Das mag stimmen. Wie sehr allerdings nicht nur die brasilianische Mentalität den Fußball beeinflusst, sondern dieser auch die brasilianische Gesellschaft, findet man einerseits in dem Buch von Alex Bellos[2] oder in dem kürzeren, wenngleich nicht weniger treffenden Beitrag von Goerdeler. Viele Umstände, die das Leben, wie den Fußball in Brasilien auch heute noch prägen, werden in der verkürzten Logik der Stammtische generell missachtet. Man findet sie z.B. in der Geschichte der Fußballclubs aus Rio des Janeiro wieder, die ursprünglich streng zwischen ethnischen Herkunftsgruppen und sozialen Schichten unterschieden. Es ist der von Goerdeler besonders gewürdigten ethnisch-kulturellen Übersprungsfähigkeit des Fußballs zu danken, dass solche Umstände in Brasilien und auch sonst in der Welt heute kaum noch eine Rolle spielten.[3]

Kaum jemand in Europa weiß um die Bedeutung des verlorenen Endspieles der Fußballweltmeisterschaft 1950 gegen Uruguay im heimischen Maracana Stadion in Rio de Janeiro, als sich die Nation schon als sicherer Weltmeister sah und am Ende doch 1:2 unterlag. Darin, so Goerdeler, spiegelte sich lange Zeit der latent in der brasilianischen Gesellschaft vorhandene Schwermut, der Glaube an die eigene Unzulänglichkeit. Das Ereignis war das Gegenteil der Fußballweltmeisterschaft 1954, deren Gewinn für die deutsche Nation zum nationalen Erweckungserlebnis wurde, aber als Beweis für die Wirkungsmacht des Fußballs war es eine erstaunliche Parallele.

Der Fußball hat auch heute noch ganz erhebliche Bedeutung nicht nur für die Gesamtgesellschaft, er wirkt vielfach schicksalsbestimmend für die Existenz des Einzelnen. Es existieren in Brasilien unübersehbar viele Fußballschulen, zum Teil karitativen, zum Teil rein wirtschaftlichen Charakters, aus denen mit erstaunlicher Konstanz jährlich ca. 850 Fußballer den Sprung nach Europa schaffen. Die Transfererlöse sind mit das wesentlichste Finanzierungsinstrument für die hochverschuldeten Vereine des brasilianischen Fußballbetriebes, genauso wie das Objekt der Begierde aller an dem Transfergeschäft beteiligten Akteure. Die Fußballschulen sind, man darf dies nicht gering schätzen, in den Favelas häufig der einzige Ort, an denen die Jugendlichen gewaltfrei soziale Orientierung und Verbundenheit genauso wie Altruismus (in den karitativen Einrichtungen) erleben. Sie sind aber auch der Quell, aus dem sich der noch größere Strom junger Menschen von Brasilien nach Europa speist, deren Zahl in der offiziellen Statistik von 850 Fußballern jährlich nicht enthalten ist, die häufig mit Hilfe von profitgierigen Vermittlern zwar den Sprung nach Europa, dort aber weder in den bezahlten Fußball, noch zurück nach Brasilien schaffen. Sie werden zu Strandgut europäischer Gesellschaften, häufig aus Scham vor dem Eingeständnis über den eigenen Misserfolg an der Rückkehr gehindert. So sehr Fußballschulen also auch einen Beitrag als Auffangbecken in den Randbereichen der Gesellschaft leisten, so sehr Ausnahmetalente des brasilianischen Fußballs den Fußball weltweit befruchten, so sehr muss sich doch jeder darüber im Klaren sein, dass in jeder erzählten Erfolgsgeschichte für viele junge Brasilianer die Verheißung steckt, es dieser Erfolgsgeschichte gleich tun zu können. Und genau diese Verheißung treibt die jungen Menschen in die Arme der Vermittler.

 

Dr. Joachim Rain: Internationaler Spielertransfer nach den Regeln der FIFA

Der Vortrag von Rain befasste sich zunächst weniger mit den Folgen, als der inhaltlichen Ausgestaltung des Transfersystems. Daran zeigt sich die einer Sisyphosarbeit gleiche Aufgabe und das Versagen der FIFA. Rain bediente sich eines schönen Euphemismus zur Beschreibung, indem er ausführte, dass für den im Bereich internationaler Transfers tätigen Juristen wegen der Lückenhaftigkeit der FIFA-Regularien stets eine interessante Tätigkeit mit der Möglichkeit verbleibt, an der Rechtsfortbildung mitzuwirken.

Ein internationaler Transfer unterliegt mindestens drei Rechtsordnungen: Den staatlichen Gesetzen des Herkunfts- und des Ziellandes und dem Verbandsrecht der FIFA.

Kollisionen der FIFA Regularien mit den staatlichen Rechtsordnungen sind dabei unvermeidlich und von der FIFA nicht verschuldet. Ein eigenes FIFA-Normensystem, das mit keinem staatlichen Recht der 208 FIFA-Mitgliedsverbände kollidiert, ist kaum vorstellbar.

Der internationale Sportgerichtshof CAS wies in den Entscheidungen Suarez & Barotti[4] zutreffend darauf hin, dass es sich beim Sport um ein grenzüberschreitendes Phänomen handelt, für das es nicht nur wünschenswert, sondern erforderlich ist, dass dessen Regeln allgemeine und gleichartige Gültigkeit in der ganzen Welt besitzen. „Die Regeln können nicht von einem Land zum anderen unterschiedlich wegen der Interferenzen zwischen staatlichem Recht und Sport-Regularien angewendet werden. Das Prinzip der universellen Anwendbarkeit der Regularien der FIFA – oder jedes anderen internationalen Verbandes – tragen dem Erfordernis der Rationalität, der Sicherheit und der Vorhersagbarkeit Rechnung.“

Die FIFA wird aber ihrer dadurch skizierten Aufgabe, einen Normenkatalog zu erstellen und ihm international verbindliche Anerkennung zu verschaffen, nicht gerecht.

 

Als Beispiel für Kollisionen mit staatlichen Rechtsordnungen verweist Rain in seinem Vortrag auf das von der FIFA praktizierte und nach deutschem Recht unzulässige System der Ausbildungsentschädigungen bei der Verpflichtung junger Fußballspieler. Ob und in welchem Umfang das System auch gegen andere Rechtsordnungen verstößt, soll nicht Gegenstand dieser Ausführungen sein, schon aber die Verwunderung über die Beharrlichkeit, mit der FIFA und DFB sich hier über nationales Recht und Rechtsprechung hinwegsetzen. Das OLG Oldenburg, das als letztes deutsches Gericht am 19.4.2005 über die Zulässigkeit des Systems zu urteilen hatte, kam nicht umhin in den Gründen darauf hinzuweisen, dass das System nicht den vom BGH schon im Urteil vom 27.9.1999[5] aufgestellten Grundsätzen genügt und sich nach wie vor als unzulässig erweist.

Spätestens seit der „Bosman Entscheidung“ des EuGH 1995[6] und der „Kienass Entscheidung“ des BAG 1996[7] ist für den hiesigen Rechtsraum eine Selbstverständlichkeit auch rechtlich und richterlich abgesichert: Dass zwar der Einzelne aufgrund der Privatautonomie seine eigene Freiheit wirtschaftlicher Betätigung durch Arbeitsvertrag beschränken darf, dass aber niemand und auch kein Verband durch seine Regularien die Betätigungsfreiheit des Einzelnen nach Ende der vertraglichen Selbstbindung beschränken darf.

Die Frage aber sei erlaubt, ob es sich bei der in den oben genannten Entscheidungen behandelten beruflichen Entschließungs- und Betätigungsfreiheit nur um ein Recht eines „deutschen Bürgers“ oder eines „EU Bürgers“ handelt, oder um ein universelles Menschenrecht? Die Forderungen in Art. 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in Art. 12 und Art. 15 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 bestätigen dies. Dennoch orientiert sich die FIFA, die sich wohl mehr dem Funktionieren und der Finanzierung des gesamten Systems als dem Schutz individueller Freiheit verpflichtet fühlt, bei der Rechtssetzung eher an staatlichen Ordnungen mit geringeren Rechtschutzgarantien – und auch das nicht konsequent.

In den Statuten der FIFA befindet sich lediglich ein Kernbestand von Regeln zum Schutz der Betätigungsfreiheit, der an unterschiedlicher Stelle insbesondere zur Verhinderung von Umgehung abgesichert ist; zum Beispiel durch das Gebot, dass Zahlungen des aufnehmenden Vereins ausschließlich an den abgebenden Verein, nicht aber an Dritte, insbesondere Vermittler geleistet werden dürfen (Art. 18 Abs. 3 Players´ Agents Regulations 2005). Hierdurch soll sichergestellt werden, dass ausschließlich Spieler und abgebender Verein Einfluss auf die Transferentscheidung nehmen können, nicht aber sportferne „Investoren“.

An dieser Stelle ist aber zu monieren, dass die FIFA „Besonderheiten des Transfersystems in Südamerika trotz Abweichungen von den eigenen Grundsätzen toleriert“ (Rain), angeblich um ein Ausbluten des Marktes zu verhindern. Von der FIFA toleriert sieht die Praxis deshalb anders aus, als von den eigenen Regularien vorgegeben. Einen vertragsfreien Spieler in Südamerika gibt es nach der Erfahrung von Rain so gut wie nicht – und aufgrund seiner Erfahrung ist er gewiss dazu berufen eine solche Wertung abzugeben. Kleine, den Spielervermittlern gehörende Vereine sichern sich die Transferrechte eines Spielers nach Ende eines Arbeitsvertrages, um in Form von Transferentschädigungen Vermittlungsprovisionen zu erlangen, die in keinem Verhältnis zum Wert ihrer Leistung oder der Vergütung der Spieler stehen.

Wenn also die FIFA den eigenen Regularien noch nicht einmal im Verhältnis zu den Mitgliedsverbänden und den Personen, die den eigenen Statuten und Regularien unterstehen durchgängig Geltung verschafft, wie will sie dann die Regularien gegen unterschiedliche nationale Rechtsordnungen durchsetzen? Die Notwendigkeit einheitlicher Geltung ist nämlich das einzige Argument, das über Mängel der Verbands-Regularien selbst hinweg schauen ließe.

 

Jörg Rüsing: Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei der Beschäftigung von Profisportlern

Die Schwierigkeiten in der Behandlung des Sports zeigen sich auch in den arbeitsrechtlichen Besonderheiten bei der Beschäftigung von Profisportlern. In einer Vielzahl von Einzelfällen zeigt sich, dass das zur Regulierung normaler Arbeitsverhältnisse geschaffene Arbeitsrecht nicht in der Lage ist, der Probleme im professionellen Sport Herr zu werden. Gerade in diesem Bereich des Sportrechts zeigt sich auch, wie wenig die Rechtsprechung die tatsächliche Praxis beeinflusst.

Berufsfußballer erzielen in der Regel ein Gehalt, das weit oberhalb des Durchschnittes der abhängig Beschäftigten liegt und das mit einer Arbeitszeit, die zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung (ein paar Mal trainieren und ein Spiel pro Woche) weit hinter den üblichen Arbeitszeiten in der gewerblichen Wirtschaft zurückbleiben. Das hat häufig die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft der Profifußballer ausgelöst. Im Übrigen spricht auch die Möglichkeit, sich in gewissem Umfang selbst zu vermarkten, für die Eigenschaft als Unternehmer[8], für die Eigenschaft weniger als Arbeitsnehmer, sondern als Arbeitgeber. Das missachtet allerdings, das gerade professionelle Fußballspieler selbstverständlich nicht in der Lage sind, Ihre Arbeits- und Trainingszeiten frei einzuteilen und regelmäßig, etwa an Wochenenden bei Auswärtsspielen und in Trainingslagern weitergehenden zeitlicher Restriktionen unterliegen, als normale Arbeitnehmer dies für sich akzeptieren würden. Verhaltenspflichten werden innerhalb der Verträge mit Vertragsstrafeversprechen durchgesetzt, die sowohl wegen ihrer absoluten Höhe, aber auch wegen des Verhältnisses zum Monatseinkommen rechtlich bedenklich sind. Nach dem gegenwärtigen Stand der Diskussion sind Profifußballer also gewöhnliche Arbeitnehmer, deren Rechtsverhältnisse aber durch das geltende Arbeitsrecht nicht mehr allein geregelt werden können.

Rüsings Bericht zeigt, dass von der Vermittlung und der Begründung über die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse und der Abstellung für Nationalverbände bis zur Beendigung der Verträge keine Phase frei von einer Vielzahl von Konflikten zwischen tatsächlicher, zum Teil von den Verbandsregularien determinierter Praxis und normalem Arbeitsrecht ist. Dies findet allerdings nicht immer die notwendige öffentliche Beachtung und schlägt sich auch nicht in einer eigentlich zu erwartenden Vielzahl von arbeitsgerichtlichen Verfahren nieder. Die Gründe sind systemimmanent.

Als Beispiel dient die Klage von Karlheinz Pflipsen 1997 gegen den Fußballbundesligaverein Borussia Mönchengladbach, für den er zu diesem Zeitpunkt seit 14 Jahren spielte. Zwar sprach Ihm das Arbeitsgericht einen Anspruch auf Urlaubsentgelt von DM 85.000,00 zu, sein Vertrag wurde aber 1999 trotz ansprechender Leistung in den beiden letzten Saisons nach 15 jähriger Vereinszugehörigkeit nicht verlängert. Sein Weg führte Ihn für zwei Spielzeiten zunächst nach Griechenland und anschließend über die zweite Liga in die Versenkung. Selbstregulierung?

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch heute noch der grundsätzliche Anspruch auf Urlaubsentgelt im Musterarbeitsvertrag für Lizenzspieler der DFL verankert ist, allerdings nahezu durchgängig fehlerhaft berechnet wird.

Soweit Besonderheiten im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses betroffen sind, ergibt sich der Mangel an arbeitsgerichtlichen Verfahren aus einem tatsächlichen Problem. Im bezahlten Fußball finden sich ausnahmslos befristete Arbeitsverträge. Nach wie vor gilt es als gängiges Mittel, zu Gunsten der Vereine einseitige Verlängerungsoptionen unterschiedlicher Gestalt zu normieren, die allerdings nach vorliegender Rechtssprechung gegen § 622 Abs. 6 des Bürgerlichen Gesetzbuches verstoßen. Darauf weist auch Rüsing zutreffend hin.

Allerdings legt der Musterarbeitsvertrag der DFL eine Ausübung der Option bis zum 30.04. eines jeden Jahres fest, während die Transferperiode zum 30.08 eines jeden Jahres endet. Innerhalb des Zeitraumes zwischen dem 01.05. und dem 30.08. eines Jahres dürfte es kaum einem Fußballprofi gelingen, eine Entscheidung in der Hauptsache eines deutschen Arbeitsgerichtes über die Frage der Wirksamkeit der ausgeübten Option zu erringen. Eine Entscheidung nach Ablauf der Frist ist ihm nicht behilflich.

Ligaverband/DFL, als die für die Erteilung der Spielgenehmigung zuständige Institution gewähren hier, anders als die FIFA bei internationalen Transfers, keinen effektiven Rechtschutz, indem sie eine vorläufige Spielgenehmigung zugunsten des neuen Vereins bis zum Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens verweigern. In der Regel wird das Problem durch eine angemessene Entschädigung in Geld kompensiert. Mittelbar haben es also aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nach wie vor die abgebenden Vereine in der Hand, trotz einer arbeitsrechtlich wirksamen Beendigung des Vertrages durch Verweigerung der Freigabe eine Transferentschädigung zu erzwingen – eine Praxis, die das BAG in der „Kienass Entscheidung“[9] für unzulässig hielt. Bedenklich ist dieser Umstand auch, weil sich die Beteiligten den Mangel effektiven Rechtschutzes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses häufig schon bei der Begründung zunutze zu machen suchen. Zumindest Vereine und Vermittler wissen häufig um die Rechtsunwirksamkeit der Optionen und vereinbaren sie dennoch. Die Einen in der Hoffnung, dass die Unwirksamkeit nicht erkannt werden möge, die Anderen, um sich im Transferpoker mit der „überraschenden„ Berufung auf die Unwirksamkeit eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen

 

Dr. Thomas Summerer: Sportwetten als Mediengeschäftsmodell der Zukunft

Die Folgen des Mangels einer spezialgesetzlichen Regelung für Bereiche des Sports mit erheblicher Außenwirkung zeigt sich im Vortrag von Summerer, der zu heftigen Diskussionen führte.

Ausgangspunkt der Überlegung war das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28.03.2006[10] in dem das Gericht zur Überzeugung kam, dass das Staatsmonopol für Sportwetten in der bisherigen Ausgestaltung verfassungswidrig ist und in dem es dem Gesetzgeber bis Ende 2007 Zeit für eine Neuordnung des Rechts zur Regelung der Sportwetten gegeben hat. Der Entwurf des neuen Glückspielstaatsvertrages mit dem Bearbeitungsstand zum Zeitpunkt der Tagung sieht eine Beibehaltung des staatlichen Monopols mit einem weitreichenden Verbot der Werbung im Fernsehen, Internet etc. vor, was nach Auffassung des DFB Präsidenten Theo Zwanziger und des damaligen Ligapräsidenten Werner Hackmann zu einer „Enteignung der Sportveranstalter“ führen würde[11] und die Funktionsfähigkeit des Amateur-, genauso wie des bezahlten Fußballsports, dessen Finanzierung nicht unwesentlich auf den Einnahmen mit Webeverträgen der Sportwettveranstalter basiert, in Frage stellt. Auch der Referent vertrat die Auffassung, dass das von den Ländern in dem Entwurf des Lottostaatsvertrages beabsichtigte Vorgehen schlechthin nicht tolerierbar sei und dass es das „öffentliche Recht auf Durchführung und Teilnahme an Sportwetten“ und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachte. Summerer untersuchte im nächsten Schritt seines Vortrags dann die Frage, ob nicht den Wettunternehmen von den Sportveranstaltern eigene Abwehrrechte mit der Folge entgegengehalten werden könnten, dass der Verzicht auf diese Rechte die Zahlung einer Entschädigung voraussetzt.

Dabei erkannte der Referent nicht, dass er sich in einem Wertungswiderspruch befand. Nach der Zielformulierung der DFL sollte das staatliche Wettmonopol unter Berufung auf das öffentliche Recht an der Durchführung der Wetten aufgehoben werden. Er sah dann die DFL in den Stand versetzt, aufgrund eines vermeintlichen eigenen Verwertungsmonopols an den Spielplänen und Ergebnislisten, die notwendige Zustimmung von Wetten auf die von ihr veranstalteten Wettbewerbe von der Zahlung von Lizenzgebühren abhängig machen zu können.

Er sah den Anknüpfungspunkt unter anderem in §§ 4, 87 a und b Urheberrechtsgesetz, wobei ungeachtet des tatsächlichen Aufwandes für die Erstellung der Spielpläne bereits die Diskussion ergab, dass sich der Aufwand ohnehin aus dem für die Aufrechterhaltung des Spielbetriebes Notwendigem ergibt und nicht einem schöpferischen Gestaltungswillen geschuldet ist. Er musste sich auch mit einem anderen Argument aus dem Auditorium auseinandersetzen: Wenn der Referent die Auffassung vertrete, Spielpläne und Tabellen seien urheberrechtlich geschützte Schöpfungen, so verwechsle er Form mit Inhalt. Spielpläne und Tabellen sind strukturierter Reflex des Spielgeschehens an sich, das seine Bedeutung und sein wirtschaftliches Vermarktungspotential gleichermaßen erlangt, wie verbreitet nur im Wechselspiel mit der Öffentlichkeit. Das Geschehen an sich, der sportliche Wettkampf mit ungewissem Ausgang ist Gegenstand des Interesses und der Wette, nicht der Spielplan oder die Ergebnisliste. Der sportliche, keinem vorgefasstem Plan unterliegende Wettkampf hat keinen Urheber. Auch der Veranstalter ist nicht Urheber. Damit fehlt es bereits an einem Anknüpfungspunkt für jeden urheberrechtlichen Schutz.[12]

Dass sich die Mehrzahl der Teilnehmer gewerbliche Ergebniswetten auf den Ausgang eines Prozesses der einen Kanzlei gegen die andere Kanzlei verbieten würden, wie der Referent entgegnete, ist zwar richtig, verfehlt aber das Thema. Anders als der Fußball verdanken Dienstleister ihren persönlichen Erfolg nicht der Beteiligung der Öffentlichkeit an Ihrem Schicksal.

Unterstützt wurde der Referent in seiner Forderung nach einer spezialgesetzlichen Formulierung eines Leistungsschutzrechtes für Sportveranstalter, wenn auch die damit verbundene Intention des Auditoriums eine andere war. Rechtlichen Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere an der Schnittstelle zwischen den Interessen der Veranstalter am Schutz Ihrer vom Gesetzgeber nicht klar formulierten Rechte zur Ausbeutung der Veranstaltung einerseits und dem Interesse der Öffentlichkeit auf freien Zugang und gewollter Teilhabe an der Veranstaltung. Diese Problemstellung erfordert eine klare Ausgestaltung, aber auch Begrenzung der Leistungsschutzrechte an einer sportlichen Veranstaltung.

Dirk Wiedeking: Rechtsschutz und Vermarktung von Sportveranstaltungen in Deutschland &

Roberto Liesegang und Leonardo Viveiros de Castro: Rechtschutz und Vermarktung von Sportveranstaltungen in Brasilien

Dieses Spannungsfeld zeigte sich auch besonders deutlich in den Referaten von Wieddekind und Liesegang.

Die Erfahrung des zum Zeitpunkt der Veranstaltung gerade zu Ende gehenden Sportjahres 2006 mit dem Höhepunkt der Fußballweltmeisterschaft richtete den Blick selbstverständlich auch hier vornehmlich auf den Fußball. Die FIFA als Veranstalterin des Sportereignisses finanziert sich ungefähr im Verhältnis 2 zu 1 mit dem Verkauf der Sende- und der Werberechte[13]. Den Schutz der Rechte versucht die FIFA mit aller Macht ihrer weitgehenden Monopolstellung und nahezu frei von überstaatlicher Kontrolle durchzusetzen.

Während die Rechtslage zu den Fernsehübertragungsrechten relativ gesichert ist, die Hörfunkberichterstattung anderseits noch Gegenstand verfassungsrechtlicher Auseinandersetzung ist[14] ergeben sich die größten Unsicherheiten für die Öffentlichkeit und die meisten Marktteilnehmer im Bereich der Vermarktungsrechte. Anders als die Olympischen Spiele, die durch das Gesetz über den Schutz der Olympischen Symbole geschützt ist, beziehen andere Veranstalter den Schutz Ihrer Rechte in erster Linie aus dem Namensrecht, dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG und das Gesetz zum Schutz von Kennzeichen und Marken in Wort und Bild, Markengesetz. Hier existieren eine Vielzahl, zum Teil sich widersprechender Entscheidungen, die leider eine von Sinn und Zweck weitgehend losgelöste schematisierte Befassung mit dem Thema durch die Richter erkennen lassen, eine Art von Jurisprudenz, die schon Rudolf von Ihering 1865 als „Mathematik des Rechts“, als Verirrung bezeichnet hat, die auf einer Verkennung des Wesens des Rechts beruht[15].

Die FIFA hatte ursprünglich markenrechtlichen Schutz auch beansprucht für solche beschreibenden Begriffe des allgemeinen Sprachgebrauches, wie „FIFA Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006“, „FIFA WM 2006“, „WM 2006“ u.a. m. Die Firma Ferrero, die seit 1982 vornehmlich für Ihre Produkte Hanuta und Duplo bei Fußballweltmeisterschaften mit Sammelbildern wirbt, hatte die Eintragung dieser Marken erfolgreich angegriffen. Über die Beschwerde der FIFA gegen die Löschungsanordnung des Patent- und Markenamtes entschied das Bundespatentgericht[16] mit einer wegen seiner Begründung bemerkenswerten Entscheidung zur Reichweite des Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nummer 2 Markengesetz:

 

  1. Rechtlich begründete oder faktische Monopolstellungen sind bei der Frage nach dem Freihaltungsbedürfnis nicht zu berücksichtigen.

 

  1. WM als Abkürzung für Weltmeisterschaft ist eine im Sport übliche Bezeichnung für einen internationalen Wettbewerb. Fußball beschreibt die Sportart, in der sich die Teilnehmer messen und nicht nur das runde Spielgerät. 2006 kann diese generelle Aussage nicht einschränken. Die Jahreszahl beschreibt bei widerkehrenden Ereignissen das Jahr der Durchführung. Fußball WM 2006 beschreibt damit insgesamt einen internationalen Fußballwettkamp im Jahre 2006.

 

  1. Es muss Marktteilnehmern unbenommen bleiben, frei von Monopolrechten mit der Bezeichnung darauf hinzuweisen, dass sich Ihre Angebote auf eine Fußballweltmeisterschaft beziehen, dabei zum Einsatz kommen oder sich bei solchen bewährt haben.

 

Freilich soll sich dieses Freihaltungsbedürfnis nicht grundsätzlich auf alle Waren und Dienstleistungen beziehen, aber zumindest auf solche, die typischerweise bei solchen Veranstaltungen Verwendung finden, und die möglicherweise gerade, ohne dass der Veranstalter darauf Einfluss nehmen will, erforderlich sind, um die Sportveranstaltung durchzuführen, oder aber zumindest Ihre Bedeutung im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. [17]

Das enorme wirtschaftliche Vermarktungspotential der WM erklärt sich natürlich nur aus dem Umstand heraus, dass sie während der Dauer der Veranstaltung nahezu das gesamte öffentliche Leben, nicht nur im Ausrichterland, aber da ganz besonders, durchdringt. Die weltweite mediale Präsenz ist mit Ausnahme der Olympiade unvergleichlich. Diese Durchdringung könnte selbst eine Organisation, wie die FIFA alleine durch lizenzierte und von ihr gesteuerte Unternehmen nicht erreichen. Zum Gelingen ist damit der Beitrag anderer Anbieter erforderlich, derer sich die FIFA nahezu zwingend bedienen muss. Dass das Gericht entgegen der Auffassung der FIFA diese Anbieter jetzt eben nicht von der Verwendung der Bezeichnung ausschließen will, die in der deutschen Sprache bei der Bezeichnung des Ereignisses eigentlich nicht zu vermeiden sind, offenbart ein zutiefst demokratisches oder- sozialpflichtiges Verständnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen und der Beeinflussung öffentlichen Lebens durch Leistungsanbieter.

Im Zusammenhang mit der Einführung der Rechtsschreibreform gab es die öffentliche Diskussion, wem die deutsche Sprache gehöre und wer deren Entwicklung zu überwachen habe, der Anwender, also das deutschsprechende Volk, oder der Verordnungsgeber. In dem Zusammenhang ging es allerdings nur um die äußere Form, wobei in Vergessenheit geraten war, dass auch die bis zur Konferenz in Wien im Juli 1996 gebräuchliche Rechtsschreibung Ergebnis eines Rechtssetzungsaktes aus dem Jahre 1901 als Folge der zweiten orthographischen Konferenz in Berlin war. In der Diskussion um die Rechtsschreibreform ginge es allerdings nur um die äußere Form des „Wortzeichens“, wobei es in der Auseinandersetzung um die Beschränkung des Gebrauches bestimmter Bezeichnungen um deren semantischen Gehalt geht. Es geht im Kern um die Usurpation des öffentlichen Sprachegebrauchs durch die FIFA. Die Öffentlichkeit soll von dem Gebrauch unverzichtbarer Bestandteile der Kommunikation im Zusammenhang mit einem öffentlichen Ereignis ausgeschlossen werden.

An dieser Stelle schloss sich der Bogen zum vorangegangenen Vortrag von Summerer und der Diskussion über die Notwendigkeit von Leistungsschutzrechten für die Sportveranstalter: Sie sind zweifellos notwendig, aber nicht nur, um den Veranstaltern die von ambush marketing freie Ausbeutung der Veranstaltung zu garantieren, sondern um ein klare Grenze zwischen dem notwendigen Schutz der Veranstalterrechte und dem Freiheitsbedürfnis der Öffentlichkeit zu definieren und mitunter dogmatisch tatsächlich zu begründende Übergriffe der Veranstalter in die Umwelt zu verhindern. Ein Leistungsschutzrecht im positiven Sinne, im ausgrenzenden Sinne ein „Umweltschutzrecht“.

 

Dr. Martin Schimke: Doping: Ein Fall für die Strafjustiz?

Lebhafte Diskussion sorgte auch der Beitrag von Schimke, der aufgrund seiner langjährigen Mitgliedschaft in der Antidopingkommission des Deutschen Basketballbundes, des Schiedsgerichtes der Deutschen Eishockeyliga und des Internationalen Sportgerichtshofes in Lausanne (CAS/TAS) sowohl über die dogmatischen Grundlagen, in erster Linie aber über die rechtstatsächlichen Auswirkungen der gegenwärtigen Dopingregularien berichten konnte und zum Ende den Stand der Argumentation für und wieder eines staatlichen Dopinggesetzes referierte.

Auch in dieser Diskussion zeigte sich wieder das Spannungsverhältnis zwischen staatlicher und verbandsrechtlicher Normierung und Rechtsprechung.

Jede Rechtsordnung, einschließlich die durch Verbands (Satzungs-) Recht beschriebene, erhebt den Anspruch nicht nur Normenverstöße zu sanktionieren, sondern durch den Rechtssetzungsakt eine positive Handlungsanweisung, eine Sollensordnung zu begründen. Das allerdings setzt sowohl Allgemeingültigkeit, wie auch Allgemeinverbindlichkeit des Regelungswerkes voraus.

Das ist allerdings gegenwärtig nicht der Fall. Einig sind sich die einzelnen Sportverbände in der Zielformulierung „kein-Doping“, nicht jedoch in der Umsetzung. Heterogen sind die Regelwerke, wie deren Umsetzung durch die Verbandsgerichte. Dies zeigt sich beispielhaft an den Fällen der Fußballspieler Schindler und Vucicevic einerseits und dem Wasserballnationalspieler Tobias Kreuzmann andererseits.

Am 18.03.2005 wurde im Rahmen einer Trainingskontrolle bei Wasserballnationalspieler Tobias Kreuzmann der Wirkstoff Finasterid entdeckt, dem selber keine dopingrelevante Wirkung zukommt, der aber den Nachweis anaboler Steroide (Nandrolon) erschwert. Der Wirkstoff entstammt dem Haarwuchsmittel „Propecia“ das der Wasserballer seit 2004 nahm und das er zu diesem Zeitpunkt sogar noch auf seine Dopingrelevanz hatte überprüfen lassen. Zu diesem Zeitpunkt stand das Mittel noch nicht auf der Verbotsliste der Weltantidopingagentur (WADA) und der Nationalen Antidopingagentur (NADA). In beide Listen wurde der Wirkstoff mit Veröffentlichung der neuen Listen zum 01.01.2005 aufgenommen, was dem Sportler verborgen blieb. Zwar wurde der Olympiateilnehmer zunächst vom Deutschen Schwimmverband (DSV) gesperrt, später aber vom Vorwurf des Dopings freigesprochen und das Verfahren eingestellt, nachdem eine zusätzliche durchgeführte Analyse zum Ergebnis hatte, dass der Gebrauch von anabolen Steroiden selbst auszuschließen war.

Anders dagegen der Fall des Spielers Falk Schindler vom Regionalligisten Kickers Emden, dessen Dopingprobe vom 17.09.2005 gleichfalls positiv auf den Wirkstoff Finasterid ausfiel. Auch dieser erklärte den Nachweis des Wirkstoffes in seinem Körper mit dem Gebrauch des Mittels Propecia. Zum damaligen Zeitpunkt hatte der DFB eine Liste noch nicht selbst aufgestellt, sondern in den eigenen Publikationen einschließlich des Internets die deutsche Übersetzung der Liste der WADA, allerdings in der seit dem 01.01.2005 veralteten Fassung aus dem Jahr 2004 abgedruckt, in der der Wirkstoff nicht aufgeführt war. Die neue Liste war zwar zum Zeitpunkt der Dopingprobe bereits in der deutschsprachigen Fassung durch die NADA veröffentlicht. Ein Verweis auf dieses Regelwerk fehlte allerdings den Ausführungsbestimmungen Doping des DFB. Dennoch verhängte das Sportgericht des DFB in der Verhandlung vom 17.11.2005 eine sechsmonatige Sperre, wie auch das Sportgerichtes des DFB durch Entscheidung vom 02.12.2005 Vucicevic für sechs Monate wegen des gleichen Vergehens sperrte – ohne ordnungsgemäß bekannt gemachte Rechtsgrundlage.

Nachzutragen bleibt noch, dass der Internationale Schwimmverband (FINA) gegen die freisprechende Entscheidung des DSV in Sachen Kreuzmann vor dem CAS klagte, dass am 18.01.06[18] eine einjährige Sperre verhängte, wobei das Gericht darauf hinwies, dass es aufgrund der besonderen Umstände auch unter einem Jahr geblieben wäre, wenn die FINA-Regeln dies zugelassen hätten.

Der Fall offenbart zwei zentrale Mängel der gegenwärtigen Praxis der Dopingbekämpfung:

Auch wenn der staatliche Verordnungs- und Gesetzgeber nicht frei von Fehlern ist, gewähren doch die in der staatlichen Gesetzgebung bewährten Standards im Normsetzungs- und Verkündigungsverfahren genauso wie in der Spruchpraxis, dass rein handwerkliche Fehler, die die Glaubwürdigkeit der Normen und die Richtigkeitsgarantie des Verfahrens beeinträchtigen, weitgehend vermieden werden. Wesentlicher ist allerdings, dass gerade in der mit besonderer öffentlicher Wahrnehmung verbundenen Sportgerichtsbarkeit die Divergenz von Entscheidungen der einzelnen Sportverbände, ja sogar der unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten eines Verbandes, Zweifel an der für die Formulierung einer einheitlichen Sollensordnung erforderlichen Allgemeinenverbindlichkeit und Allgemeingültigkeit begründen. Die Heterogenität der Verfahren in der Praxis der Dopingverfolgung und die intendierte Allgemeingültigkeit des Dopingverbots stehen hier in komplementärer Polarität zueinander.

 

Das spricht gewiss für eine einheitliche Normierung und Verfolgung. Aber auch für eine staatliche?

Bei aller Beachtung in der Öffentlichkeit stellt sich die Frage: Ist die Wahrung eines durch Manipulation unverfälschten Ergebnisses eines Wettkampfes, eine übergeordnete Ethik im Sport ein so hohes Rechtsgut, dass es des Schutzes des Gesetzgebers bedarf? Eher nicht.

Niemand verschließt die Augen vor der Ausstrahlungswirkung der Fairness im Sport in die Gesellschaft. Aber es geht in letzter Konsequenz um den Schutz des Ansehens des Sports, nicht der Reputation des Staates[19].

 

Anders herum allerdings die gleiche Frage: Im Verbandsstrafrecht gilt das Prinzip der „strict liability“ das alleine auf den objektiven Tatbestand unter Verzicht auf den Nachweis des Verschuldens abstellt. Das steht in einem offenkundigen Widerspruch zu einem der überragenden Grundsätze des Rechtsstaates in dem jedes strafrechtliches Verfahren auf der Unschuldsvermutung basiert. Ist der Schutz der Ethik im Sport ein so überragendes Rechtsgut, dass es der staatliche Gesetzgeber dulden kann, dass trotz der überragenden Wirkung in der Öffentlichkeit ein verbandsrechtliches Parallelsystem eine so wichtige Grundlage des Rechtsstaates missachtet?

Es ist ein Absurdum und ein Ohnmachtseingeständnis, dass gerade der Sport, der sich in vielen Kollisionsfällen zur Legitimation eigenen Handelns auf die Verbandsautonomie beruft, im Falle der Dopingbekämpfung nach dem staatlichen Gesetzgeber verlangt. Es ist aber Aufgabe des Sports selbst, wenn auch mit den Richtigkeitsgarantien rechtsstaatlichen Handelns, das Dopingverbot einheitlich zu regeln und durchzusetzen.

Die nahezu weltweite Anerkennung des WADA Codes innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums seit der Gründung 1999 und die unumstrittene Anerkennung des CAS/TAS als ein von den einzelnen Verbandsinteressen unabhängiges Spruchorgan zeigen den richtigen Weg der Vereinheitlichung, der aber noch der Fortsetzung in die nationalen Verbände bedarf.

 

Natürlich hat auch diese Tagung die Probleme des Rechtsgebietes nicht gelöst, aber doch umfassend gerade in den Diskussionen herausgearbeitet. Es ist dabei noch nicht einmal verwunderlich, dass dies gerade bei einer Tagung mit Teilnehmern gelang, die sich nicht schwerpunktmäßig mit dem Sportrecht befassen, sondern sich unter dem Dach des deutsch brasilianischen Rechtsverkehrs zusammen gefunden haben und in einer Vielzahl von Rechtsgebieten tätig sind. Das Sportrecht selbst ist so vielfältig, wie die Begegnung des Sports mit seinen Akteuren, Zuschauern und der Öffentlichkeit.

Es verlangt Kenntnisse aus vielen Rechtsgebieten und die Faszination für den Sport an sich.

[1] weiterführend die Darrstellung bei Pfister, Die Autonomie des Sports, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, München 2007, Seite 10 ff.

[2] Futebol – Fußball: Die brasilianische Kunst des Lebens, Verlag Bittermann, 2004

[3] Man erkennt hieran aber auch, dass das vermehrte Auftreten von Fußballclubs, deren Mitglieder ausnahmslos einen Migrationshintergrund haben, nicht eine neue Entwicklung, sondern die Umkehrung einer langjährig positiven Entwicklung ist

[4] CAS 2005/A/983 & 984

[5] NJW 1999, 3552 = BGHZ 142, 304

[6] Slg. 1995, I-4921

[7] BAGE 84, 344-360

[8] vergleiche Rybak, Das Rechtsverhältnis zwischen dem Lizenzfußballspieler und seinem Verein, Frankfurt am Main, 1999, Seite 55

[9] oben Fn. 6

[10] NJW 2006, 1261 ff.

[11] Süddeutsche Zeitung vom 05.12.06

[12] Der Autor gestattet sich eine Nachlese mit dem Erkenntnisstand Sommer 2007: Das von der DFL zum damaligen Zeitpunkt beauftragte und jetzt vorliegende Gutachten des Max Planck Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht hat die damals vertretene Auffassung nicht bestätigt, weil es an einer über den gewöhnlichen Aufwand für die Herstellung der Spielpläne zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebes notwendigen Investition im Sinne von § 87 a Urheberrechtsgesetz fehlt.

 

[13] Gesicherte Zahlen liegen dem Autor z. B. für den Vierjahreszeitraum zwischen 2003 bis 2006 vor. Innerhalb dieses Zeitraumes nahm die FIFA im Marketingbereich 714 Millionen Euro ein, durch Verkauf der Hospitality Rights 260 Millionen Euro und durch den Verkauf der Senderechte an der WM 2006 in Deutschland und dem ConfederationsCup im Jahr zuvor 1,660 Milliarden Euro

[14] siehe die Darstellung bei von Coelln, Hörfunkberichterstattung aus dem Stadion, SpuRt 2006, 185 ff.

[15] Römisches Recht auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 1. Auflage, Leipzig 1865, Seiten 302 f.

[16] am 03.08.2005 32 W (pat) 237/04

[17] Das Urteil wurde später im Wesentlichen durch den BGH im Urteil vom 27.4.2006 bestätigt. BGHZ 167, 278-298; NJW 2006, 3002-3007

[18] CAS 2005/A/921 FINA ./. Tobias Kreuzmann und German Swimming Federation

[19] Steiner, Staatsziel Anti-Doping-Staat? SpuRt 2006, Seite 244

Leave a Reply